FEARON von JAMES HANLEY

Art.Nr.: 18628

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Produktbeschreibung

fünf Sterne
ERLKOENIGS LIEBLINGSBÜCHER

Arco Verlag , Wuppertal
Aus dem Englischen von Joachim Kalka
[Originalausgabe: BOY, Boriswood, London 1931]
Hardcover mit Schutzumschlag, 268 Seiten


Verlagstext:

Als Tagträumer in der Schule sehnt sich Fearon, aus der bedrückenden Enge seiner Herkunft aus einer Hafenarbeiterfamilie auszubrechen, nach Bildung, danach, Drogist zu werden. Aber sein Vater setzt diesen Träumen ein jähes Ende: Sein erster Tag als halbwüchsiger Hilfsarbeiter in den Docks von Liverpool wird zur brutalen, erniedrigenden Erfahrung. Seinen Eltern kann Fearon seine Nöte nicht mitteilen. Die verzweifelte Flucht als blinder Passagier auf ein Handelsschiff liefert ihn einer feindseligen Erwachsenenwelt gnadenlos aus.

Nachdem James Hanleys grandioser Roman Boy 1932 in der für skandalöse Erotika – wie später Nabokovs "Lolita" – berüchtigten Paris Obelisk Press erschienen war, schlug eine alarmierte prüde britische Öffentlichkeit zurück. Anstoß erregt hatte eine halbnackte Bordelltänzerin auf dem Umschlag und die schonungslose Darstellung menschlicher Abgründe und sexueller Phantasien von Erwachsenen. Derart skandalisiert, verschwand James Hanleys Beitrag zur Weltliteratur nicht einfach nur in der Versenkung, sondern wurde in England sogar öffentlich verbrannt. Gleichzeitig gefeiert und verteidigt von Schriftstellern wie William Faulkner, E. M. Forster und John Cowper Powys bis hin zu Henry Miller, Henry Green und Anthony Burgess (A Clockwork Orange), ist ein lange unterdrücktes Kultbuch endlich erstmals auf Deutsch zu lesen – für Nick Hornby »eins der düstersten Bücher, die je geschrieben wurden«.

Erlkoenig sagt:

BOY, mangels Übersetzung vor Jahrzehnten im Original gelesen, ist wirklich ein grandioses Stück Literatur!

Und ich bin ja nicht der Einzige, der das sagt: FEARON wurde in die TOP 10 der besten Bücher aus konzernunabhängigen Verlagen des Jahres 2014 gewählt...

Die Verbotsgeschichte von BOY ist übrigens ein veritables Stück aus dem Tollhaus:

1931 wird "Boy" im kleinen, neuen Londoner Verlag Boriswood veröffentlicht, wobei nur 145 Exemplare - ausschliesslich an Subskribenten - verkauft werden. Es folgen weitere Auflagen: Boriswood (1932 - siehe Abbildung 1 oben!) und Knopf (New York, 1932). Insbesondere Boriswood ersetzt in seiner "öffentlichen" Ausgabe dabei an vielen Stellen durchaus harmlose Begrife im Original durch "***", eine damals durchaus übliche Methode, um einer Zensur zu entgehen. In diesem Fall aber wohl auch in der Absicht, ein literarisches Werk durch "Anheizung von schweinischen Phantasien" zu skandalisieren und dadurch den Verkauf zu steigern ("sex sells!" galt wohl damals schon!).
Erst die 4. Auflage von 1934 - wieder Boriswood in England (und diesmal mit der lasziven Nachtclubdame auf dem Titel!) wird dann Gegenstand des Obszönitätenprozesses, der zum Verbot des Buches in England führt...
Die Reste dieser 4. Auflage, und hier kommt dann "Obelisk"-Press in Paris in Spiel, wurden von Boriswood (durch die verhängte Strafe wegen der Veröffentlichung eines obszönen Werkes praktisch pleite) an Obelisk verkauft, die das Buch dann unter ihrem Label verkauften und auch 1936 und 1946 noch zweimal nachdruckten (Abbildung 2: Titelmotiv wie die 4. Auflage bei Boriswood, jedoch mit neuer Verlagsangabe).

Absurd, aber auch bezeichnend: Ins "Laufen" kam die Sache durch das seinerzeit als obzön empfundene (ganz und gar heterosexuelle) Buchcover und vom Verlag geschickt(?) platzierte "Klappentexte", die wiederum auf das Skandalpotential von "Boy" abhoben. Inhaltlich ging es aber offensichtlich um die "inakzeptable" Darstellung von "intimacy between members of the same sex" - sprich: Homosexualität. Dass es an Bord von Schiffen zu häufigen "homosexuellen Handlungen" kommt, wird nämlich von Hanley dezidiert geschildert - unter anderem wird der 13jährige Fearon Opfer einer Vergewaltigung durch einen älteren Matrosen...
Weiter in Absurdistan: Die angeklagten Verleger plädierten auf "schuldig im Sinne der Anklage". Ihre Anwälte hatten ihnen dazu geraten, da sie nur so einer Haftsrafe entgehen könnten. Dieses Schuldeingeständnis nutzte das Gericht dann dazu, das Buch als obszön (sprich: verboten) zu deklarieren, relativ empfindliche Geldstrafen gegen die Angeklagten auszusprechen, sich aber bezüglich der inhaltlichen Gründe für ihre Entscheidung völlig in Schweigen zu hüllen. Die Verbreiter des Schunds hatten ja "gestanden" - man konnte also (ver)urteilen, ohne das unappetitliche Thema "Schwulitäten" überhaupt zu erwähnen...
Und es geht weiter: Erst 1990(!) traut sich ein englischer Verlag (André Deutsch) an eine Wiederveröffentlichung des immer noch verbotenen Buches. Wieder gibt es einen teilweise empörten Aufschrei in der Öffentlichkeit - immerhin ist in England grade Thatchers antischwules Gesetz "Clause 28" in Kraft! (Ich erinnere mich gut daran, dass unser britischer Großhändler das Buch nur für den Export z.B. nach Deutschland anbot und eine Auslieferung in UK ausdrücklich ausschloss!). Und es war nicht selbstverständlich, dass eine weitere gerichtliche Überprüfung 1991 dann endgültig(?) zur Aufhebung des Verbots führte... Wie gesagt: Tollhaus! Hoffen wir mal, dass das  Buch jetzt einfach mal gelesen wird, in all seiner Großartigkeit und Trostlosigkeit...
(to)